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Resilienz – Widerstandskraft gegen den Stress


In der Märzausgabe der KTM zeigte Arzt und Führungscoach Dr. Jörg-Peter Schröder Wege aus der Stressfalle auf. Nun sprach KTM mit ihm über Möglichkeiten, die Resilienz zu steigern und damit im Arbeitsleben belastbar zu bleiben. Resiliente Mitarbeiter bewahren sich sogar bei hohen Anforderungen Freude, Motivation und Humor – drei nicht zu unterschätzende Faktoren für gute Arbeit und Teamwork.

 

In Dr. Jörg-Peter Schröders Seminaren lernen die Teilnehmer, wie sie Höchstleistung bringen und resilient mit Belastungssituationen umgehen können. Führungskräften kommt dabei eine ganz neue Rolle zu.

 

In Ihren Seminaren vermitteln Sie die Wichtigkeit der Resilienz. Was ist damit gemeint?

Resilienz beschreibt die Robustheit, die Widerstandsfähigkeit und den gelungenen Umgang mit Niederlagen, Stress, Belastungssituationen und Schicksalsschlägen. Jeder kann sie lernen. Wichtige Voraussetzungen dazu sind Reflexionsfähigkeit, ausreichende Ressourcen, das Wissen um eigene Stärken und Werte, intrinisische Motivation und ein empathischer Umgang mit sich selbst. Die Bewertung und Beurteilung von Ereignissen sowie die innere Haltung spielen dabei eine zentrale Rolle. Wenn wir Dinge anders bewerten, sind viele Situationen nicht mehr so belastend.

 

Sie sprechen von der Wichtigkeit der Beurteilung und Bewertung von Ereignissen. Entsteht Stress eben nicht nur durch Anforderungen von außen, sondern macht man ihn sich auch selbst?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Durch das hohe Maß an Fremdbestimmung und Regeldichte empfinden sich Pflegende und Ärzte als stark eingegrenzt und im Handlungsspielraum eingeengt. Dabei sind viele Limitierungen durch eigene Glaubenssätze selbst gesetzt. Durch eine Veränderung des Blickwinkels können diese Grenzen sinnvoll geweitet werden. Dazu sollte sich jeder fragen: Sehe ich die Stärken und Möglichkeiten – oder sehe ich Schwächen und Probleme? Anstatt im defizitorientierten Geht-nicht-weil zu verharren, ist es besser, den Möglichkeitsraum für Faszination und Neugierde zu öffnen. Es ist doch so: Die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen prägen unsere Erwartungen. Wenn jedoch die Einstellung verändert wird, können neue Möglichkeiten

entstehen. Grundsätzlich legen wir zu viel Wert auf das Beheben von Fehlern und das Bekämpfen von Symptomen. Viele Menschen schauen auf das, was noch fehlt, anstatt anzuerkennen, was schon geschafft wurde. Letztlich ist dies ein schwächebasierter Ansatz. Ein stärkebasierter und präventiver Ansatz würde hingegen dazu führen, dass Symptome gar nicht erst entstehen.

 

Wer sich selbst zu viel Stress macht, hat vielleicht Angst, seinen Job zu verlieren, schlechter als die Kollegen zu sein etc. Welche Wege aus dem Stress gibt es in solchen Fällen?

Hilfreich ist es, die Perspektive zu wechseln und einmal ganz anders auf die Dinge zu schauen. Ich nenne es Frequenzwechsel. Die Teilnehmer in meinen Seminaren lernen, dass es wichtig ist, dass man sich wohlfühlen darf, statt sich zu quälen. Nach einer belastenden Situation sind folgende Schritte ratsam, um resilient mit der Situation umzugehen: Zuerst Abstand schaffen, dann tief einatmen. Akzeptieren, was gerade passiert ist – es ist, wie es ist. Die eigenen Gefühle, zum Beispiel Wut, Ohnmacht, wahrnehmen. Und dann mit neuer Perspektive überlegen, welche Möglichkeiten es

gibt: Was liegt in meiner Macht, was kann ich beeinflussen? Und wo ist die Grenze meiner Einflussfähigkeit? Sich Handlungsoptionen vor Augen zu führen, reduziert sofort den Stress.

 

In Ihren Seminaren führen Sie die Teilnehmer zu einer intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst, mit den eigenen Zielen, mit dem Sinn ihrer Tätigkeit. Warum ist diese Reflexion so wichtig? Wie kann sie den Stress reduzieren und die Resilienz steigern?

Reflexion hilft uns, der Opferhaltung zu entkommen – und damit auch dem Jammern, dem Gefühl der Ohnmacht und der Resignation. Sie hilft uns, in die Selbstverantwortung zu kommen und gibt uns Gestaltungsmöglichkeiten für unser Leben an die Hand. Es gilt, die Wahrnehmung zu schärfen und unsere Bedürfnisse besser zu verstehen.

 

Sie arbeiten auch mit Techniken aus der Hypnotherapie und Traumaforschung. Das klingt interessant.

Es geht darum, sich selbst wieder zu spüren. Viele Menschen sind körperlich eingesunken, verkrampft und verspannt, vielleicht sogar verängstigt. In diesem Zustand bringt es nichts, nur intellektuell zu verstehen, was gerade passiert. Mit der Hypnotherapie beziehen wir den Körper mit ein. Im Seminar lernen die Teilnehmer die eigene Wahrnehmung zu schärfen, ganz im Hier und Jetzt und bei sich zu sein. Das Loslassen ist wichtig, denn den Zugang zu sich selbst findet man nur in Gelassenheit. Gefühle bestehen zu einem großen Teil aus Körperwahrnehmungen. Deshalb erscheint es nur logisch, den Körper bei Stress- Symptomen miteinzubeziehen. Ein wesentlicher Faktor zur Steigerung der Wirksamkeit und zur Verbesserung der Psychohygiene von Mitarbeitern in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist zudem die Verbindung wertschätzenden Humors mit einer optimistischen Haltung von Gelassenheit und Lockerheit – auch wenn es anstrengend wird.

 

Sie sprechen häufig von ‚ressourcenorientierer Resilienz‘. Was verstehen Sie darunter?

In meinem Buch ‚Scheitern als Chance‘ gehe ich sehr ausführlich darauf ein. Es geht um einen guten Zugang zu den eigenen Ressourcen, um besser mit Stress und Belastungen umgehen zu können. Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen: Krankenschwester Andrea, 55 Jahre alt, arbeitet in einem kommunalen Krankenhaus in einer kardiologischen Abteilung. Sie leidet unter wachsendem Zeitdruck, muss immer mehr dokumentieren. Zudem kommen immer mehr Vertretungsdienste und Konflikte mit dem Vorgesetzten hinzu. Sie macht ihren Job eigentlich gern, quält sich aber aufgrund der (äußeren) Umstände mittlerweile regelrecht in die Nachtdienste. Da sie sehr verantwortungsbewusst handelt, hat Andrea Angst, aufgrund des Zeitdrucks Fehler zu machen, leidet an Schlaflosigkeit und Panikattacken, wenn es einfach zu viel wird. Sie fühlt sich ohnmächtig und überfordert. Sie hat ein großes Bedürfnis nach einem klar geregelten Routinejob ohne Nachtdienste. Bisher hatte sie ein schlechtes Gewissen: Kann ich denn überhaupt sagen, was mir wichtig ist? Was denken dann die anderen? Sinnvoll sind folgende Schritte:

 

  1. Klarer Blick auf die Situation: Was kann ich beeinflussen, was nicht? Wenn ich bestimmte Dinge machen muss – wie perfekt muss es gemacht werden?
  2. Achtsames Wahrnehmen – Körperspürerfahrungen nutzen: Tagebuch führen. Wann geht es mir gut? Welche Symptome nehme ich in bestimmten Situationen wahr?
  3. Loslassen – ohne Vergleich und Kampf: Es geht darum, alte Muster zu hinterfragen. Ein Verstehen der eigenen Glaubenssätze, Verhaltensmuster und inneren Antreiber ist die Ausgangsbedingung für neue Handlungsstränge. Muss ich immer gut drauf sein? Muss ich mich immer beeilen? Muss ich eigene Bedürfnisse immer hinten anstellen?
  4. Zielvereinbarung auf Basis eigener Visionen: Ziel ist es, sich auf Basis eigener Bedürfnisse klar zu fokussieren. Andrea ist es zum Beispiel wichtig, genug Zeit für die Gespräche mit den Kollegen und den Patienten zu haben. Sie will sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren. Das Nein-Sagen ist dabei wichtig, um besser Prioritäten setzen zu können.
  5. Vom wunden Punkt zum Wendepunkt: Andrea übernimmt die Verantwortung. Zum Beispiel entwickelt sie neue und gesunde Gewohnheiten, um aus dem Jammern herauszukommen. Unter anderem verändert sie ihre Work-Life-Balance, um die eigene Lebensqualität aktiv zu verbessern. Anstatt sich über die Umstände und Rahmenbedingungen in der Klinik zu ärgern, könnte Andrea mit ihrer Vorgesetzten über die Herausforderungen des Klinikalltags sprechen. Gemeinsam können dann auf Basis einer klaren Analyse aller Tätigkeiten und auch dem Verstehen der Bedürfnisse und Befürchtungen neue Perspektiven entwickelt werden.
  6. Vertrauen, Erlaubnis und Mut – Andrea gesteht sich zu, Neues auszuprobieren und trifft eine Entscheidung: Mit ihrer Vorgesetzten will sie darüber sprechen, wie es gelingen kann, dass sie nachts nicht mehr eingeteilt wird, da es ihr ein Bedürfnis ist, einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus zu haben. Von einer jüngeren Kollegin weiß sie, dass diese gern nachts arbeitet.
  7. Interdependenz – die Kraft des gemeinsamen Handelns: Gemeinsam mit ihren Kollegen und der Vorgesetzten wird ein Plan erarbeitet, wie die Gesamtsituation verbessert, sie vom Nachtdienst freigestellt werden und sich dennoch eine für alle zufriedene Konstellation ergeben kann.
  8. Neubeginn – Andrea erlaubt sich, neue Erfahrungen machen zu dürfen: Sie besucht jetzt einen Achtsamkeits-Workshop und geht zweimal in der Woche mit einer Freundin zum Walking. Das Spannende daran: Auch in Belastungen bleibt sie gut bei sich und gerät nicht außer sich. Zudem spürt sie, dass sie nicht länger ohnmächtig, sondern gut in ihrer Kraft ist.

 

Ihre Teilnehmer lernen auch etwas über Embodiment. Die richtige innere und äußere Haltung, die richtige geistige und körperliche Beweglichkeit können also Resilienz steigern?

Auf jeden Fall. Je besser die Beweglichkeit und ausgewogener die Stimmung, desto besser ist die Fähigkeit, mit Belastungen umgehen zu können. Innere Haltung, Körperhaltung, Selbstbewusstsein, Standfestigkeit und Flexibilität hängen eng zusammen. Das Gehirn und der Körper stehen miteinander in einer engen und untrennbaren, sich wechselseitig beeinflussenden Beziehung. Die innere Haltung wirkt auf Verhalten und Körperhaltung – und umgekehrt. Diese Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche ist längst belegt. Einerseits machen sich psychische Zustände körperlich bemerkbar, zum Beispiel nonverbal als Gestik, Mimik und in der Körperhaltung sowie als Beschwerden wie Nackenverspannungen, Bandscheibenvorfälle, Herzrhythmusstörungen, Magenprobleme und Bluthochdruck. Andererseits zeigen sich auch Wirkungen in umgekehrter Richtung: Körperzustände beeinflussen psychische Zustände wie Urteile, Einstellungen und Emotionalität. Dieser Zusammenhang ist wichtig für eine wirksame Stressbewältigung. Dabei kommt der Gelassenheit eine wichtige Rolle zu. Lockerlassen und loslassen sind eine Grundvoraussetzung für Resilienz. Auch der Selbstzugang gelingt dann am besten. Wenn wir wieder in Schwingung mit uns selbst kommen, können wir besser in Resonanz mit anderen kommen. Umgekehrt gilt: Wenn ich von mir selbst abgeschnitten bin, kann ich die Bedürfnisse und das Leid der anderen auch nicht spüren. Und in der Verkrampfung und Erstarrung gelingt nichts mit Leichtigkeit. Eine psychische Belastung im Krankenhausalltag kann Angst und so eine Stressreaktion auslösen. Wird diese als kontrollierbare Herausforderung empfunden, sind wir noch im grünen Bereich. Problematisch wird es, wenn die Arbeitssituation als unkontrollierbare seelische Belastung wahrgenommen wird. Körperliche Symptome können als Auftakt für Verhaltensänderungen genutzt werden. Im wahrsten Sinne kann eine körperliche Aufrichtung zu einer Stimmungsverbesserung und einer Steigerung des Selbstwertes führen. Dies stärkt auch die Resilienz.

 

Was empfehlen Sie Führungskräften und Personalverantwortlichen an Kliniken und Pflegeeinrichtungen?

Erfolgreiche Unternehmen machen Mitarbeiterführung zur Herzensangelegenheit. Hochleistungsteams in Kliniken zu führen, erfordert Fingerspitzengefühl, fachliche Professionalität, wertschätzende Kommunikation und Vertrauen im Umgang miteinander. Gefragt ist eine neue Generation an Vorgesetzten, die neben Fachkenntnissen vor allem Persönlichkeit, Verhandlungsgeschick und Einfühlungsvermögen mitbringt. Jenseits der rational geprägten Effizienzwelt stellt sich Erfolg von Hochleistungsteams erst durch ein Integrieren menschlicher Zuwendung, effizienter Prozesse, gelebter Werte und sinnvoller Entwicklungsmöglichkeiten in multidisziplinären Teams ein.

 

Das Gespräch führte Dagmar Kübler. Das Interview erschien in der April-Ausgabe 2019 der Zeitschrift Krankenhaus Technik + Management: www.ktm-journal.de/start.html

© Copyright 2019 by pn verlag, www.ktm-journal.de

 

Erleben Sie Herrn Dr. Schröder live auf der Veranstaltung „Stressmanagement“ am 20/21. Mai in Frankfurt/M.

 

www.joergpeterschroeder.com

www.frequenzwechsel.de

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