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Stefan Wachtel, Leiter der Konferenz „Executive Modus“, trainiert Top-Manager und Politiker für den richtigen Auftritt. Der Coach meint: Äußerlichkeiten sind alles. Ein Gespräch über Schraubenzähler, Schaumschläger und Rampensäue.

 

Herr Wachtel, braucht jeder Manager einen Coach?

Ja. Es gibt keinen guten Auftritt ohne Training.

 

Warum? Wer es hoch in den Vorstand schafft, hat doch genügend Talent und Erfahrung, um auf der Bühne allein zu bestehen.

Das denkt man. Ist aber nicht so. Auf der Bühne sind sehr spezielle Fähigkeiten gefordert. Ich habe bisher Konzernvorstände aus fast der Hälfte der Dax-30-Konzerne gecoacht, verrate dazu aber keine Namen. Ich kann nur sagen: Alle Guten sind harte Arbeiter am Auftritt.

 

Was lernen die Vorstände bei Ihnen?

Dass ein Chef eine grundsätzlich andere Art braucht, um über etwas zu reden, nicht die Erbsenzähler-Erklärbär-Methode. Sie oder er muss umschalten vom Expertenmodus in den „Executive-Modus“. Die Flughöhe muss eine andere sein.

 

Was heißt das konkret?

Ein Anführer, egal ob in Politik oder Wirtschaft, muss brutal vereinfachen, allgemeiner reden, weniger komplex, mit Wiederholungen, mit mutigeren Visionen. Das kann man nicht einfach so. Dazu braucht es Übung. Selbst ein Friedrich Merz, der weiß Gott reden kann, ist auf dem CDU-Parteitag daran gescheitert, ein sehr trauriges Beispiel.

 

Was war sein Fehler?

Ganz klar: Er hat vorgelesen statt frei zu sprechen. Berater hatten ihm offenbar einen ausgearbeiteten Text vorgeschlagen statt ein paar Stichwörter. Das war’s. Und die Rolle war falsch, er verließ sich auf sein Talent. Auch so ein irreführender Begriff. Neulich stand ich im Publikum, als ein Klient von mir auftrat. Die zwei Frauen neben mir waren hin und weg. Da sagte die eine: „Naturtalent!“ Eine verwegene Vorstellung.

 

Sie bestreiten, dass es Naturtalente gibt?

Ja, definitiv. Wenn Sie auf einer Bühne einen Guten sehen, dann ist das gelernt. So steht es schon in der Bibel: „Wenn es gut gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen.“

 

Das heißt: Alles ist Show, und das kann jeder lernen?

Nein! Nicht alles ist Show. Wir dürfen das nicht verwechseln. Aber: Ja, jeder, der Zeit und Energie investiert, kann das lernen.

 

Es gibt doch fähige und weniger taugliche Leute für die Bühne.

Natürlich besitzen Menschen unterschiedliche Talente. Es gibt Leute, die Lust auf den öffentlichen Auftritt haben, die berühmte Rampensau. Wobei das auch nach hinten losgehen kann, wenn es zu rampensauig wird, wenn jemand aus der Rolle fällt. Auch dafür gibt es Beispiele.

 

Wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder in der TV-Elefantenrunde nach seiner Wahlniederlage gegen Angela Merkel?

Von diesem einen Abend abgesehen, an dem er allzu authentisch war, ist Schröder für mich das positive Beispiel für eine Rampensau. Anders als die vier Kanzlerkandidaten, die nicht üben wollten, weil sie sich nicht verbiegen und keine Rolle spielen wollten. Lächerlich. Wer Kanzler werden will, muss dafür trainieren. Stoiber, Steinmeier, Steinbrück, Schulz sagten aber alle: Ich will ich selbst sein. Wären sie ein bisschen Schauspieler gewesen, wäre einer von ihnen womöglich Kanzler geworden.

 

Vielleicht fehlte es ihnen schlicht am Charisma. Ein Barack Obama strahlt auch ohne Coach.

Ein wunderbares Beispiel! Glauben Sie etwa, der war nicht gecoacht? Ich war zweimal bei seinem Coach in dessen Trainingsraum in Washington, 21. Straße. Als ich herein kam, sagten seine Leute: „Hast du ihn gestern auf der Pressekonferenz gesehen? Barack redet schon wieder in viel zu langen Sätzen, er war länger nicht hier. Übernächste Woche kommt er wieder.“ Schauen wir den authentischen Obama an: ein sperriger Intellektueller, kompliziert, ein rechthaberischer Jurist, der zu langsätzig spricht, zu schnell – und dabei noch nuschelt! Angesichts dieser Eckdaten hätte jeder gesagt: Das kann nichts werden.

 

Es kam anders, das Publikum hat ihn auf der Bühne geliebt.

Ja, dank seiner Lernfähigkeit, seiner Lernbereitschaft, dank sehr viel sehr gutem Training und besserer Redenschreiber als in Berlin.

 

Michelle Obama schildert in ihrer Autobiographie, wie hart sie vor jedem öffentlichen Auftritt trainiert hat, monatelang mit einem eigenen Stab.

Eben. Deswegen schafft sie es, diese Mischung aus Mensch und Rolle so perfekt hinzukriegen.

 

Und das Publikum denkt: Ach, ist die Frau authentisch!

Das ist genau das Gegenteil vom Pur-Authentischen: wahre Professionalität. Das ist „das Paradox des Authentischen“.

 

Wir sehnen uns aber nach purer Authentizität, nach Menschen, die da stehen, weil sie nicht anders können.

Wäre Ihnen ein nuschelnder, rechthaberischer Obama lieber? Die Kunst besteht darin, die Rolle so zu spielen, dass die Leute sagen: Das passt! Steve Jobs ist dafür ein anderes prominentes Beispiel; menschlich wohl unerträglich, aber am Ende eine Lichtgestalt der Rhetorik.

 

Sie behaupten: Niemand ist authentisch, den wir dafür bewundern.

Pure Authentizität in einem guten Auftritt gibt es nicht. Ich wüsste jedenfalls niemanden. Vielleicht gibt es die große Ausnahme, mir fällt nur keine ein. Es geht immer nur um den Anschein, authentisch zu sein. Kennen Sie die Geschichte von Elvis Presley?

 

Nein, erzählen Sie.

Elvis hat mal an einem Elvis-Double-Wettbewerb teilgenommen und ist auf dem vierten von 17 Plätzen gelandet. Immerhin. Aber drei falsche Elvise waren vor ihm, die schienen authentischer als er selbst. Das beweist: Es kommt nicht darauf an, dass jemand authentisch ist, sondern dass die Zuschauer sagen: Das passt. Alle Probleme in der Wirtschaft haben ihre Ursache darin: Ein Manager ist zu authentisch, statt seine Rolle auszufüllen. Wenn, dann braucht es professionelle Authentizität.

 

Eine kunstvoll konstruierte Wirklichkeit? Man könnte auch Lüge dazu sagen.

Nein! Das ist ein deutsches Klischee. Professionelle Authentizität ist durchaus aufrichtig! Kleines Beispiel: Wahre Begebenheiten aus dem Leben des Klienten werden mit dem Coach zusammen zu effektvollen Geschichten verfeinert.

 

Nicht nur die Art des Auftritts wird einstudiert, auch die Inhalte werden vorher dafür zurechtgelegt?

Das ist seit 2500 Jahren so. Schon in der Antike wäre niemand auf die Idee gekommen zu raten: Sei authentisch, stell dich mal auf den Berg und dann erzählst du, was dir gerade einfällt. Das Gute ist gut vorbereitet, schon immer.

 

Wenn alle trainiert werden, warum erleben wir dann trotzdem so viele Langweiler und so wenige Obamas?

Weil es Menschen gibt, die nicht gern lernen. Erstens. Und weil, zweitens, manche schlechte Berater um sich haben. Beide, Berater wie Klient, verharren dann im Maschinenraum, kennen jede Schraube und erzählen dann auch noch davon. Die kommen nie in den „Executive-Modus“. Das Publikum will aber keine Details, sondern Rede und Antwort mit Flughöhe. Man braucht nicht irgendeinen Text. Der Mann oder die Frau auf der Bühne braucht einen Spruch.

 

Und den liefern Sie?

Zum Großteil ja.

 

Sie kennen doch weder das Geschäft des Konzerns noch Interna.

Das kann ich gar nicht. Es geht gerade darum, Komplexität zu reduzieren auf klare, eingängige Botschaften. Jeder Auftritt muss originell anfangen. Selbst wenn eine oder einer langweilig ist, darf es nicht langweilig wirken.

 

Das klingt nach einem Plädoyer für abgehobene Manager-Darsteller an den Konzernspitzen.

 

Distanz darf durchaus sein, muss auch sein. Die Vorstände dürfen nur nicht abgehoben scheinen. Wirkung entsteht aus der Mischung von Distanz und Nähe. So darf ein Chef nie von Mitarbeitern in der dritten Person reden, immer von „wir“. Manchmal sehe ich Manuskripte, da steht: „Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut.“ Furchtbar.

 

Das darf der Chef nicht sagen?

Nein. Um Gottes Willen!

 

Was dann? Soll er heucheln: „Wir sind alle eine Familie“?

Das auch nicht, viel zu schwulstig. Lieber: „Wir schaffen gemeinsam Großes.“ So ein Auftritt muss etwas hermachen, vom ganzen Habitus.

 

Wie wichtig sind dabei Äußerlichkeiten?

Es zählen nur die Äußerlichkeiten. Etwas anderes hat das Publikum nicht, um ein Urteil über eine Person zu fällen. Niemand kann ins Herz schauen. Bei manchen sollte man es ja ohnehin nicht tun.

 

Sie ziehen folglich Blender als Chefs den Schraubenzählern vor, auch wenn die mehr Ernsthaftigkeit mitbringen.

Nein, gar nicht. Im Übrigen erliegen Sie da wieder einem typisch deutschen Klischee: Nur weil jemand wirkt, dazu gut gekleidet ist, womöglich gar mit Einstecktuch, muss er ein Blender sein. Das ist ein großer Irrtum. Wir mögen es in Deutschland gerne grau. Dann heißt es über den Vorstand: „fachlich gut“ – im Grund ein Todesurteil für einen Manager, weil das ja nur bedeutet: Der Auftritt liegt ihm nicht. Er erfüllt seinen Vertrag nicht vollständig.

 

Gibt es in der Geschichte nicht genug Beispiele für Schaumschläger, die ihre Firma in den Ruin getrieben haben?

Schaumschläger mag niemand, keine Frage. Dieser Gefahr sind sich Manager bewusst. Wenn ich einen Klienten sehe, der mit seinem Auftritt übertreibt, gehe ich hinterher ganz traurig nach Hause. Das kommt aber selten vor. Dass jemand zu viel Wirkung hat, zu viel Leuchtkraft, das gibt’s praktisch nie.

 

Unterstützen Sie Ihre Kunden auch in modischen Fragen?

Ja. Kollegen von mir gehen in Frankfurt einkaufen mit Managern. Bekleidung ist extrem wichtig.

 

Wie kommt es dann, dass die Mächtigen immer formloser auftreten, im offenen Hemd, ohne Krawatte?

Dass die Krawatte verschwindet, finde ich sehr schade, auch wenn ich mich diesem Trend jetzt angeschlossen habe. So ist es nun mal: Wer oben ist in der Gesellschaft oder sich auch nur oben fühlt, will auch bei solchen Dingen vorne sein. Also verzichten Manager auf die Krawatte.

 

Wer ganz vorne liegen will, trägt dazu Jeans und Sneakers wie Daimler-Chef Dieter Zetsche?

In dem Fall ist mir das ein bisschen zu viel der Lässigkeit. Aber im Prinzip ist es richtig: Zetsche – ich berate ihn nicht – hat verstanden, dass er eine Rolle spielt. Er ist nicht irgendein Dieter, sondern kriegt sein Gehalt dafür, dass er möglichst viele Leute erreicht und so Wert schafft für das Unternehmen. Wenn Turnschuhe dabei helfen, muss er sie anziehen. Und wenn es hilft, Gitarre zu spielen, dann hat ein Manager Gitarre zu spielen – oder zumindest so zu tun, als könne er es. Man darf es nur nicht übertreiben.

 

Ist es zulässig, dass ein Minister oder Konzernchef, den Fan-Schal umwirft und ins Stadion geht, um volkstümlich zu wirken, auch wenn er Fußball in Wirklichkeit hasst?

Entscheidend ist, ob ihm die Fußball-Leidenschaft geglaubt wird. Fallen Mensch und Rolle zu stark auseinander in den Augen der Zuschauer, dann wird es problematisch.

 

Wer ist Ihnen als Kunde lieber: Manager oder Politiker?

In der Politik habe ich viel weniger Klienten. Und das hat einen Grund.

 

Welchen?

Das Honorar. Ich bekomme einen festen ungeraden Betrag, da darf es, das ist ethisch, keine Ausnahme geben. In Berlin wollen sie aber alles umsonst haben.

 

Täuscht der Eindruck, dass Manager heute immer glattgeschliffener wirken? Exzentriker, die auch mal auf die Pauke hauen, sind rar.

Die Manager von heute sind vorsichtiger geworden, das stimmt. Vor allem professioneller. Sie versuchen in der Spur zu bleiben, damit sie keinen Ärger machen. Gleichwohl bemerke ich einen Trend weg von der deutschen Vorlese-Kultur zur amerikanischen Performance-Kultur. Die heutigen Chefs sind moderner und angelsächsischer, indem sie schauen: Welchen Effekt erziele ich mit meinem Auftritt? Sie reden nicht mehr wie der Herr Professor im Fachaufsatz.

 

Wie viel Spontaneität ist dabei erlaubt?

Möglichst viel. Aber nur, solange sie keinen Stress provoziert. Wenn ein Elon Musik in schräger Stimmung spontan Unsinn twittert, hat das nichts mit Professionalität zu tun. Ein Profi darf keine Laune haben; zu Hause schon, aber nicht in der Rolle. Am besten ist Spontanität zweiter Ordnung: etwas, das spontan aussieht, in Wirklichkeit aber vorbereitet ist. Erst dann wird es richtig gut.

 

Widersetzt sich auch mal ein Manager der Inszenierung seiner Person?

Selten. Wenn jemand sagt, es liegt mir nicht so, als Person öffentlich wahrgenommen zu werden, dann ist er der Falsche, jedenfalls in der Gehaltsklasse. Dann muss sie oder er dort weg. Wenn Spitzenmanager es nicht schaffen, vor Investoren so aufzutreten, dass die hinterher sagen: Bei denen läuft’s – dann gehören die da nicht hin.

 

Erleben Sie Dr. Stefan Wachtel live auf der Konferenz „Executive Modus“ am 24. Oktober 2019 in München!

 

Das Interview erschien am 10. Februar 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das Interview führte Georg Merk.

© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

 

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